So investierst du wie der grösste Aktionär der Welt

Dieser Beitrag ist ursprünglich im Juni 2024 auf The Market / NZZ erschienen.

Die Anlagestrategie der Reichen steht normalen Privatanlegern üblicherweise nicht offen.
Investitionen in Wohnsiedlungen, Private Equity oder Infrastrukturprojekte verlangen oft
ein sehr hohes Minimuminvestment. Beim grössten Aktionär der Welt, dem norwegischen
Staatsfonds, ist dies nicht so.

Als ich sechs Jahre alt war, haben die Norweger Weitsicht bewiesen. Die Ende der
Sechzigerjahre entdeckten Erdölvorkommen verhalfen den Skandinaviern zu einem
plötzlichen Reichtum. Doch statt das Geld einfach auszugeben, setzten sie in den
Neunzigerjahren einen Fonds auf. Eines der Ziele: Mit dem Gewinn aus dem Verkauf des
Erdöls die finanziellen Herausforderungen einer alternden Gesellschaft dämpfen.

Das Vermögen wurde dabei – zum Glück – nicht einfach auf einem Sparkonto parkiert,
sondern es wurde investiert. Zum Glück, wenn man sich die jährliche Rendite in der Grafik
(rechts) anschaut. Im Schnitt waren es rund 6%. Zum Glück, wenn man bedenkt, dass mehr
als die Hälfte des heutigen Vermögens auf Investitionsgewinne zurückzuführen ist. Oder
anders formuliert: Ohne den Aktien- und Anleihenmarkt wären die Norweger heute um
mehr als 800 Mrd. $ ärmer.

Gesamtvermögen von fast 1600 Mrd. $

Der Kapitalmarkt hat dazu geführt, dass das Gesamtvermögen des Fonds per Ende 2023 auf
fast 1600 Mrd. $ gewachsen ist. Mit einem Anteil von durchschnittlich 1,5% (!) an allen
weltweit kotierten Firmen sind die Norweger der grösste Aktionär der Welt. Doch wer
angesichts der immensen Summe glaubt, dass sie eine komplexe Anlagestrategie verfolgen,
irrt.

Dominierten zu Beginn noch Obligationen das Portfolio, sind es mittlerweile Aktien, wie die
obige Grafik auf der linken Seite zeigt. Der norwegische Staatsfonds peilt einen Aktienanteil
von rund 70% an. 30% beträgt der Zielwert für Anleihen, 2% (von maximal erlaubten 7%)
sind in nicht kotierten Immobilien investiert und rund 0,1% (von maximal erlaubten 2%) in
Infrastrukturprojekten für erneuerbare Energien. Während die beiden letztgenannten
Anlageklassen für Privatanleger in der Tat schwer zugänglich sind, gilt dies nicht für Aktien
und Anleihen.

Diese ETF ermöglichen eine «Norwegen-Strategie»

Der norwegische Staatsfonds vergleicht seine Aktienperformance mit dem FTSE Global All
Cap Index. Da die Berücksichtigung von ESG-Kriterien ein elementarer Bestandteil der
Anlagestrategie ist, bietet sich für Privatinvestoren der Subindex FTSE Global All Cap Choice
an, der ESG berücksichtigt. Der ETF Vanguard ESG Global All Cap zu jährlichen Kosten von
0,24% bildet diesen Index ab, wobei auch weitere ETF auf andere global diversifizierte ESG-
Aktienindizes geeignet wären.

Für den Obligationenanteil im Portfolio bietet sich beispielsweise der iShares Global
Aggregate Bond ESG ETF an – mit einem Hedge in Franken und jährlichen Kosten von 0,1%
pro Jahr. Wer auch den kleinen Immobilienanteil im Portfolio abdecken möchte, kann dies
zum Beispiel mit dem HSBC FTSE EPRA NAREIT Developed UCITS ETF oder
dem VanEck Global Real Estate UCITS ETF tun, wobei beide ETF in kotierte
Immobilienunternehmen investieren.

Eine Nachbildung des Portfolios des norwegischen Staatsfonds sieht für Privatanleger also
wie folgt aus: eine 70%-Allokation in den Aktien-ETF von Vanguard, 28% in den iShares-ETF
für Anleihen und 2% in Immobilien via das Produkt von VanEck oder HSBC. Privatanleger
kommen so auf jährliche Kosten von rund 0,2%.

Das ist zwar etwas teurer, als es die Norweger mit ihrer Management Fee von 0,05%
hinbringen und man erreicht mit dieser rein passiven Strategie auch nicht ganz die Rendite
der Norweger, wie Auswertungen zeigen. Doch der Vergleich zeigt, dass Anlegen nicht so
kompliziert ist, wie es einem viele manchmal weismachen wollen. Auch die ganz Grossen
kochen nur mit Wasser.

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