Bitcoin, Ether & Vanille-Joghurt

Als ich vor 11 Jahren das allererste Mal das Wort Bitcoin hörte, lag der Preis bei knapp 40 Dollar. Hätte ich damals 1‘000 Franken investiert, es wären heute 2 Millionen.

Für viele sind genau diese historisch einmaligen Renditen der Grund, ebenfalls in Kryptowährungen zu investieren. Ich möchte in diesem Newsletter aber nicht mit hohen Preisprognosen auftrumpfen, sondern einen nüchternen Blick auf Crypto werfen:

Wer mit Crypto nichts am Hut hat: keine Angst. Ich bespreche zusätzlich zwei Fehler, die unabhängig davon Privatanlegern häufig unterlaufen:

  • Der reine Fokus auf die Rendite einer Anlage und
  • Selbstüberschätzung.

Wer übrigens den letzten Newsletter über die besten ETFs verpasst hat, kann dies hier nachholen. In der nächsten Ausgabe geht es darum, was genau die Ersatzquote ist, wie sich die Altersrente zusammensetzt und wie man eine ausreichend hohe Rente erreicht – bestehend aus 1., 2. und 3. Säule.

Zurück zum Thema: Als ich dann endlich meine ersten Bitcoins gekauft hatte, war der Preis bereits auf 200 Dollar gestiegen. Dumm nur gab ich mich einige Monate später mit einem Gewinn von 700 Dollar zufrieden. Denn mit der Lancierung der Bitcoin-ETFs Anfang Jahr hat Bitcoin Höchststände über 70’000 Dollar erreicht. Und für viele ist hier nicht Schluss. Starinvestorin Cathie Wood prophezeit schon in wenigen Jahren Bitcoin-Kurse von über einer Million.

Ethereum ähnelt einer Aktie

Ethereum oder Ether, wie die entsprechende Kryptowährung heisst, steht etwas im Schatten von Bitcoin. Dabei hat Ether im Vergleich mit Bitcoin einige Vorteile, die die Kryptowährung speziell für traditionelle Aktieninvestoren attraktiv macht. Und zwar erwirtschaftete Ethereum im letzten Jahr via Transaktionsgebühren rund 2,4 Mrd. Dollar. Davon wurden etwa 2 Mrd. Dollar via ein Aktienrückkaufprogramm (in der Crypto-Sprache: Token Burn) den Aktionären (Halter von Ether-Tokens) zurückgezahlt. Diesen 2 Mrd. steht ein Aufwand von 1,4 Mrd. Dollar gegenüber, um das Netzwerk zu sichern. Insgesamt resultierte also ein Gewinn von rund 600 Millionen. Wäre Ethereum eine klassische Firma, sie wäre anhand ihrer Marktkapitalisierung ungefähr auf Platz 20 der Welt.

Während Bitcoin als digitales Gold vermarktet wird und keine Rendite abwirft, ist dies bei Ethereum also anders. Es ist dadurch möglich, Ethereum anhand klassischer Finanzkennzahlen wie Umsatz und Gewinn zu beurteilen. Es wird deswegen besonders interessant sein, wie die grossen Vermögensverwalter agieren werden, wenn die Ethereum-ETFs voraussichtlich im Sommer lanciert werden.

Die Frage nach dem richtigen Vanille-Joghurt

Diese Entwicklungen im Crypto-Bereich mögen interessant sein, doch mit Bezug auf das eigene Portfolio sind eigentlich andere Faktoren relevant. Ein gutes Portfolio investiert in verschiedene Anlageklassen, die untereinander eine tiefe Korrelation aufweisen. Eine tiefe Korrelation bedeutet, dass sich die einzelnen Anlageklassen nicht im Gleichschritt entwickeln. Das hat den folgenden Vorteil. Wenn beispielsweise Aktien in einem Jahr fallen, können Obligationen dieses Minus mit einer guten Performance wieder wettmachen. Das Anlageportfolio ist dadurch geringeren Schwankungen ausgesetzt – das Risiko eines grossen Verlustes wird reduziert.

Der eine oder andere Leser mag nun einwenden, dass geringe, kurzfristige Schwankungen egal sind, wenn man langfristig investiert, und nur die Rendite zählt. Teilweise richtig, der Anlagehorizont spielt eine wichtige Rolle, welche Anlageklassen schliesslich sinnvoll sind (welche Anlageklassen man persönlich auswählen sollte, ist übrigens das Thema eines späteren Newsletters). Doch zwei Dinge gehen oft vergessen.

Erstens überschätzen viele Personen, wie viel Risiko sie tatsächlich ertragen. Wer vor 8 Jahren für 10’000$ Bitcoin kaufte, hat heute eine Million. Doch zwischenzeitlich hat er zweimal rund 80 Prozent seines Einsatzes verloren. Konkret wären aus den 10’000$ zuerst 290’000$ geworden, im 2018 wäre der Wert auf 40’000$ gesunken, dann auf 980’000$ gestiegen, auf 210’000$ gesunken und nun auf 1 Million Dollar gestiegen.

Nur die wenigsten verkraften solche Rückschläge und hätten die Bitcoins bis heute gehalten. Risikobereitschaft ist hier das Stichwort, das passende Video dazu gibt es hier. (Das gilt übrigens nicht nur für Bitcoin, sondern fürs Investieren allgemein.)

Zweitens ist es nicht sinnvoll unnötig Risiko einzugehen. Ein Beispiel: Die Portfolios A und B steigen beide im Schnitt um 10 Prozent pro Jahr. Die jährliche Schwankung beträgt bei A allerdings nur 20%, bei B 60%. Es ist offensichtlich, dass in diesem Beispiel A überlegen ist. Weshalb mehr riskieren, wenn am Schluss die gleiche Rendite resultiert?

Als Investoren sollten wir also immer schauen, dass wir für eine bestimmte Rendite das geringstmögliche Risiko eingehen. Es ist wie beim Einkaufen. Weshalb für ein Vanille-Joghurt im einen Supermarkt das Doppelte bezahlen, wenn es dasselbe Joghurt im Supermarkt nebenan für die Hälfte gibt? Komplizierter wird es, wenn das eine Vanille-Joghurt echte Bourbon Vanilleschoten aus Madagaskar verwendet, qualitativ also besser ist, und dafür einen höheren Preis hat. Welches soll ich nun wählen?

Beim Investieren stehen wir vor einem ähnlichen Problem. Nicht immer ist das Preis-Leistungs-Verhältnis gut.

Um verschiedene Portfolios anhand ihrer Rendite und ihres Risikos vergleichen und beurteilen zu können, haben sich in der Finanzindustrie verschiedene Kennzahlen etabliert. Die Sharpe Ratio ist eine davon. Sie misst die risikoadjustierte Rendite des Portfolios – also die Rendite im Verhältnis zum eingegangenen Risiko. Je höher, desto besser.

Um herauszufinden, welcher Bitcoin-Anteil im Portfolio in den letzten Jahren optimal war (= die höchste Sharpe-Ratio erzielte), habe ich einem klassischen Portfolio bestehend aus Aktien und Obligationen Bitcoin beigemischt. Das Video dazu gibt es hier:

 

Das Ergebnis: Rückblickend war ein Bitcoin-Anteil von rund 5-10% optimal – die Sharpe Ratio war dort am höchsten (Vergleich Grafik oben rechts). Für Ether lassen sich ähnliche Analysen mit ähnlichen Resultaten anstellen. Der Fonds-Anbieter VanEck beispielsweise spricht von einem optimalen Crypto-Anteil von 6%, wobei davon 70% in Bitcoin und 30% in Ether gehalten werden sollten.

Selbstüberschätzung ist teuer

Ist also ein Crypto-Anteil von 5-10% ideal für Privatanleger? Jein. Denn solche Berechnungen haben ein Problem: Die vergangene Entwicklung ist kein Garant für die künftige. Auch wenn aktuell wieder zahlreiche Personen on- und offline Bitcoin empfehlen, fast immer wird – etwas verkürzt – wie folgt argumentiert:

“Bitcoin ist in der Vergangenheit stark gestiegen, ein Kauf von Bitcoin ist deswegen sinnvoll.”

Doch niemand kennt die Zukunft. Zumindest habe ich noch niemanden kennengelernt. Und auch die Wissenschaft scheint niemanden zu kennen. Denn es gibt unzählige Studien mit demselben Ergebnis: Der durchschnittliche Anleger kann den Markt nicht vorhersagen. Selbstverständlich finden sich immer Personen, die glauben, sie wissen es besser. Doch meistens verwechseln diese Personen schlicht Glück mit Können.

Selbstüberschätzung kostet viel Geld. Personen (insbesondere Männer), die sich selbst überschätzen, vergeben langfristig rund 1,5 Prozentpunkte Rendite pro Jahr. Was nach wenig klingt, ist viel. Ein Investment über 10’000 Franken steigt so nach 30 Jahren auf gerademal 40’000 statt 60’000 Franken.

Aus vergangenen Kursentwicklungen lassen sich künftige nicht ableiten – wären sie das, die Person, die das könnte, wäre schnell auf Platz 1 der reichsten Menschen der Welt. Gewiss, einzelne wissenschaftliche Studien zeigen Ausnahmen auf, doch die gelten nur sehr, sehr bedingt und eingeschränkt.

Worauf ich hinaus will: Wenn aus der Vergangenheit nicht auf die Zukunft geschlossen werden kann, dann sind natürlich auch obige Analysen nur bedingt nützlich, weil sie allesamt auf historischen Entwicklungen beruhen. Prinzipiell ist das natürlich auch bei Aktien und Obligationen so. Nur: Es gibt Aktien und Obligationen nicht erst seit dem Jahr 2009, sondern seit dem Mittelalter! Bitcoin (und Ether) sind eher mit einem Start-up zu vergleichen. Deren künftige Renditen und Volatilitäten sind sehr ungewiss und damit auch die ideale Portfolioallokation.

Gehören Bitcoin und Ether ins Portfolio?

Sind Kryptowährungen als Teil eines ausgewogenen Portfolios also sinnvoll?

Die pragmatische Sicht: Wird Bitcoin als digitales Gold verstanden, scheint mir eine Zugabe von Bitcoin analog physischem Gold sinnvoll. Wird Ether als Aktie verstanden, gehört Ether genauso wie Apple, Microsoft oder Tesla in ein gut diversifiziertes Portfolio. Dies deckt sich auch ungefähr mit der finanzmathematischen Sicht: In den letzten Jahren war ein Anteil von 5 bis 10% Kryptowährungen im Portfolio sinnvoll.

Wer gänzlich auf Kryptowährungen verzichten möchte, mag zwar etwas Rendite liegen lassen, doch der Effekt dürfte – wenn überhaupt – nur gering sein. Wer hingegen überzeugt ist, dass Kryptowährungen die Zukunft sind, darf Bitcoin und Ether im Rahmen einer Core-Satellite-Strategie übergewichten. Was es sich mit Core & Satellite genau auf sich hat, ist Thema eines kommenden Newsletters.

Soweit aber die (möglichst) nüchterne Einschätzung zu Bitcoin & Co.

Gutes Investieren,

Patrick

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